Transdigitale Eisenbahn

Virtuelle Teams

Teil 2: Virtuelles Teambuilding

In einem Team zusammenzuarbeiten, wenn es keine festen Ankerpunkte, wie ein gemeinsames Büro, den gleichen Aufenthaltsort oder die gleiche Zeitzone gibt, ist eine sehr große Herausforderung. Die Organisation in einem virtuellen Team, d. h. mit rein digitalem Zusammenarbeitsmodus, ist hier meist die einzige Option. Noch herausfordernder wird die Konstellation, wenn sich die Teammitglieder noch nie persönlich getroffen haben. Es gibt jedoch einige Möglichkeiten ein persönliches und vertrauensvolles Zusammenarbeiten in virtuellen Teams zu unterstützen. Im zweiten Teil geht es um die Beziehungspflege in virtuellen Teams.

Innenansicht des Josephs in Nürnberg

Wer Teil 1 dieses Beitrags noch nicht gelesen hat: Dieser Artikel fasst Learnings aus einer Veranstaltung von Sven Latzel zum Thema virtuelle Teams während des Nürnberg Digital Festivals 2019 zusammen, angereichert mit eigenen Erfahrungen. Näheres zu Sven Latzels Hintergrund findet sich in Teil 1: Virtuelle Zusammenarbeit. In seiner Vortrags-Workshop-Kombi im Josephs hat er Lösungen und Praxistipps aus seinem Erfahrungsschatz geteilt, um die Sichtweise der Teilnehmer*innen auf virtuelle Teams zu erweitern.

Nach dem anfänglichen Zusammentragen der Beweggründe für virtuelles Arbeiten und die aktuellen Herangehensweisen der Teilnehmer*innen entspann sich im Workshop eine Diskussion. Der Grundtenor war, dass sich nur nach einem persönlichen ersten Kennenlernen ein effektives Arbeiten in virtuellen Teams einstellen könne. Sven Latzel stand dem jedoch entschieden entgegen: teilweise hätte er seine Projektkollegen noch nie gesehen und dennoch persönliche Beziehungen aufgebaut.

Das lässt sich meiner Meinung nach auch im Kleinen sehr gut nachvollziehen. Bei einem intensiven Emailkontakt entspinnt sich über freundliches Geplänkel wie die Erwähnung des Wetters oder anstehender Wochenendaktivitäten allmählich eine vertraute Basis, selbst wenn man sich noch nie gesehen hat. Auch über Social Media kommt man einfach mit fremden Menschen in Kontakt, für die man über ihre Postings und Likes ein Gefühl bekommt und zu denen man eine Haltung entwickeln kann. Manchmal kann man sogar eine freundschaftliche Verbindung aufbauen und den Kontakt hin zu einem Treffen im realen Leben ausweiten. Je offener und authentischer die digitale Kommunikation dabei erfolgt, desto einfacher ist es sich zu der Person zu positionieren und ggf. eine Beziehung aufzubauen.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf lassen sich bei der virtuellen Arbeit gezielt Räume schaffen, um die Verbindungspunkte und Austauschmöglichkeiten im Team zu fördern – sozusagen virtuelles Teambuilding. Viele dieser praktischen Tipps hat Seven Latzel bei seiner Arbeit schon selbst erprobt:

  • Bei Teamcalls: Video an! Sich zu sehen schafft mehr Nähe als bloßes Telefonieren.

  • Einstiegsanker: Zu Beginn der Teamcalls kann gerne einige Minuten über Off-Topic-Themen gesprochen werden (Wo sind alle gerade? Wie war der Tag bisher? Kam gerade jemand aus dem Urlaub? Wie war der? Etc.). Was sich bei persönlichen Besprechungen ganz natürlich abspielt, braucht im virtuellen Raum vielleicht eine kurze Initialzündung, hier kann der Besprechungsorganisator gerne in die Runde fragen.

  • Stimmung erzeugen: Für Teams, die sich bereits etwas besser kennen, kann es sich auch lohnen 5 Minuten Meditation der Besprechung voranzustellen, bei der einer der Teilnehmenden anleitet. Das schafft einen Fokus, besonders, wenn die Besprechung erst später am Tag stattfindet.

  • Verschiedene Meetingformate verwenden: Bei einem digitalen Meeting denkt man meist nur an eine klassische Videokonferenz, doch auch interaktivere Formate, die den Austausch fördern, sind möglich. Für Workshops, in denen remote gemeinsam an Ideen und Projekten gearbeitet wird, bieten sich digitale Whiteboards an (z. B. miro.com, mural.co). Diese können die Teilnehmenden zeitgleich nutzen, die Zugriffsrechte können jedoch auch temporär eingeschränkt werden, sollte es einmal zu durcheinander zugehen.
    Eine weitere Möglichkeit für größere virtuelle Runden ist die Bildung von zufälligen Gesprächspaaren oder -Kleingruppen (z. B. über Zoom per Knopfdruck möglich). Die in der kleinen Gruppe erarbeiteten Ideen können anschließend im großen Gremium präsentiert werden.

  • Auch virtuelle Auszeiten sind gemeinsam möglich: Beispielsweise kann man sich zum „Kaffeetrinken“ über Videotelefonie verabreden und bewusst 15 Minuten über Privates sprechen. Sogar die Organisation von Zufallstreffen mit Teammitgliedern ist über Tools möglich (z. B. Donut), um auch mit allen im Gespräch zu bleiben.

  • Bewusst Kanäle für privaten Austausch schaffen: Was sich im Büro automatisch ergibt, benötigt virtuell einen eigenen Raum, z. B. eigene Kanäle und Chats in Slack oder Teams. Diese können auch nach Themen untergliedert sein, um sie bewusst verfolgen oder ignorieren zu können (nicht alle, die sich für Musik interessieren, interessieren sich schließlich auch für Katzen). Ein allgemeiner Kanal empfiehlt sich jedoch immer, um das Teilen von privaten Dingen, wie Urlaubsfotos und GIFs in einem geschützten Raum zu ermöglichen. Sollte der Zuspruch anfangs noch etwas verhalten sein, lässt sich der Austausch z. B. durch eine (witzige) Frage des Tages fördern, die jeweils ein Teammitglied stellt und Jede*r im Team gerne beantworten kann.

  • Virtuelles Büro: Manche Organisationen bilden das Bürogefühl auch in Tools nach (z. B. remo.co): Die Teammitglieder befinden sich in einem virtuellen „Bürogebäude“ und können dort ihren aktuellen Status verdeutlichen. Sind Kolleg*innen im Gespräch, halten sich ihre Avatare zusammen in einem Meetingraum auf, wer Pause macht, befindet sich im Chillout- oder Game-Room, wer konzentriert arbeitet „sitzt“ in einem Einzelbüro. So lassen sich Kontaktaufnahmen einfacher koordinieren und es entsteht Raum für Zufallstreffen.

  • Beziehungspflege: Bei der Arbeit im Team kommt es unweigerlich auch zu Missverständnissen und Konflikten. Je transparenter und offener diese besprochen und je konsequenter sie aufgelöst werden, desto weniger Raum nehmen sie im Arbeitsalltag ein. Besonders im Startup-Bereich haben sich regelmäßige Clear-the-air-Meetings etabliert, bei denen z. B. einmal im Monat Konflikte und belastende Situationen offen angesprochen und mit Hilfe eines externen Kommunikationscoaches aufgearbeitet werden können. Solche Meetings lassen sich auch virtuell über Videotelefonie bewerkstelligen. Beispielsweise kann die Methode der gewaltfreien Kommunikation ein valider Ansatz sein, auch im Arbeitsalltag die Perspektive der Kolleg*innen nachvollziehen zu können und so kritische Situationen direkt anzusprechen und auszuräumen.

  • Teambuilding: Wenn kein persönliches Treffen möglich ist, muss nicht zwangsläufig auf gemeinschaftliche Freizeitaktivitäten verzichtet werden. Vom virtuellen Filmabend mit Live-Austausch im Chat oder Videostream, über Gaming im Team auf einer Streamingplattform bis hin zu geführten virtuellen Wein-Tastings auf Instagram (z. B. @asktoni) sind die Möglichkeiten vielfältiger als man zunächst denken mag. Wenn der Bedarf nach einem gemeinsamen Erlebnis mit dem Team vorhanden ist, steht dem auch in der virtuellen Welt nichts entgegen.

Die Beziehungen der Teammitglieder untereinander sind das Rückgrat einer jeden Organisation und eines jeden Teams. Deswegen lohnt es sich auf jeden Fall in die Beziehungspflege zu investieren. Ich freue mich sehr über Feedback, wenn ihr Tipps ausprobieren solltet und werde die Liste gerne mit eingesandten Vorschlägen erweitern.

Tools für virtuelle Teams

Da in den Tipps einige Tools erwähnt wurden, die nicht unbedingt im Standardrepertoire eines virtuellen Teams enthalten sind, gibt es hier noch einen kompakten Toolüberblick:

  • Skype for business/Teams: Video-Telefonie-Tool von Microsoft mit Team-eigenen Chatkanälen und Möglichkeiten zur Dokumenteinbindung und Bildschirmsharing. (kostenpflichtig)

  • Zoom: Remote-Konferenzdienst von Zoom Video Communications, Inc. Mit Zoom sind auch große Videokonferenzen mit bis zu 1.000 Teilnehmerinnen bzw. 10.000 Zuhörerinnen möglich. Außerdem bietet Zoom Chatfunktionen, Tonaufzeichnungen, Moderatorenfunktionen und andere Features. (Basisversion kostenlos)

  • Trello: Tool zur Visualisierung von Kanbanboards von Atlassian. Den einzelnen Aufgaben-Karten können Teammitglieder zugewiesen werden, außerdem können Kategorien, Checklisten, Kommentare u.v.m. verwendet werden, um die Aufgaben näher zu definieren. (Basisversion kostenlos)

  • Slack: Instant-Messaging-Dienst von Slack Technologies. Slack ist die Abkürzung von Searchable Log of All Conversation and Knowledge, das Hauptfeature der Anwendung ist also die vollumfänglich Durchsuchbarkeit aller Konversationen. Es können verschiedene Messaging-Tools in Slack zusammengeführt werden und unterschiedliche Kanäle für Teams angelegt werden. (Basisversion kostenlos)

  • Remo.co: Virtueller Konferenzraum oder virtuelles Büro von Remo. Die Teilnehmer*innen können sich frei in den virtuellen Räumen bewegen, sich zu Gruppengesprächen per Videocall oder Chat zusammenfinden und auch spontan netzwerken. (kostenpflichtig)

  • Donut.com: Webservice zur zufälligen Bildung von Gesprächspaaren von Donut Technologies Inc. Donut bildet aus den Teammitgliedern in festen Zeitintervallen (z. B. alle zwei Wochen) zufällige Gesprächspaare, die sich dann beispielsweise über Videotelefonie austauschen. (Basisversion kostenlos)

  • Miro.com: Plattform zur visuellen Zusammenarbeit von Miro. Mit Miro können kreative Projekte gemeinschaftlich und virtuell bearbeitet werden, z. B. auf einem Infinite Canvas. Verschiedene Templates helfen bei der Gestaltung. Nützlich z. B. bei gemeinschaftlicher Produktentwicklung oder UX-Design-Entwürfen. (Basisversion kostenlos)

  • Mural.co: Virtuelles Whiteboard von Tactivos Inc DBA MURAL. Mit Mural können gemeinschaftlich Dateien auf dem Board befestigt, Freihandzeichnungen eingefügt oder Post-its platziert werden. (kostenpflichtig)

Empfehlenswerte Links zum Thema:

Du hast Fragen, Anmerkungen, Kommentare?

Wir freuen uns über Feedback zu diesem Beitrag an
hallo@transdigitale-eisenbahn.de.